Produkte sind Dienstleister

Wie der Fokus auf die Aufgaben des Kunden innovative Produkte und Services entstehen lässt.

Matthias Feit
27.6.2022
Smartphone schlägt Zeitung bei der Dienstleistung "aktuelle Börsenkurse erfahren"
Smartphone schlägt Zeitung bei der Dienstleistung "aktuelle Börsenkurse erfahren"

Echte Innovationen – also Produkte, welche eine neue, bislang unbekannte Art und Weise der Problemlösung anbieten und für den Markt neu sind – gelingen äußerst selten. Unternehmen aller Art tun sich sehr schwer damit, und nur einige wenige schaffen es, einen initialen Erfolg dauerhaft zu bestätigen.

Die bekannteste technische Innovation der letzten 15 Jahre ist sicherlich das Smartphone. Mit dem 2007 vorgestellten iPhone revolutionierte Steve Jobs mit Apple eine ganze Geräteklasse – durchaus entgegen der Prognosen einiger Mitbewerber¹. Der Erfolg des iPhons zementierte Steve Jobs Ruf als einen der innovativsten CEOs aller Zeiten.

Dem massiven Erfolg Jobs zweiter Amtszeit als Chef von Apple ging jedoch eine Phase persönlicher Misserfolge voraus. Insbesondere der Apple Lisa und der NeXTcube waren absolute Flops am Markt und verkauften sich trotz üppiger Ausstattung und neuartiger Bedienkonzepte äußerst schlecht. Was lief also schief?

Bei der Betrachtung der Erfolgsquote neu eingeführter Produkte stellt man fest, dass es sich beim Misserfolg von Lisa und NeXTcube eher um die Regel als die Ausnahme handelt. Nach statistischen Angaben scheitern 76 Prozent aller Produkteinführungen innerhalb eines Jahres.² Auch in der als besonders innovativ geltenden Startup-Szene gibt es keine vielversprechenderen Zahlen. Über 80 Prozent der mit großen Vorschusslorbeeren beachteten Startups scheitern innerhalb von drei Jahren.³

Bei Steve Jobs Rückkehr zu Apple 1997 adressierte er die Misserfolge früherer Projekte und fasste seine daraus resultierenden Lehren folgendermaßen zusammen:

You have to start with the customer experience and work backwards to the technology (Steve Jobs)

Klassische Innovationsprozesse

Entgegen dieser Maxime von Steve Jobs wird in Unternehmen häufig auf einen ideengetriebenen Ansatz gesetzt. Die Umsetzung dieser Ideen ist dabei nicht selten mit der einer Incentivierung von Mitarbeitern gekoppelt. Diese Anreize belohnen häufig nur die planmäßige Umsetzung persönlicher Projekte – also den Output – und nicht den Outcome, also das tatsächliche Ergebnis einer Maßnahme.

Zur Anwendung kommt dabei häufig der folgende Prozess:

(Quelle: http://anthonyulwick.com/2016/10/27/why-ideas-dont-solve-problems/)

Circa 68 Prozent aller Unternehmen entwickeln ihre Produkte und Service nach einem solchen Schema⁴ (Stage-Gate-Modell).

Der Plan: in der Ideation Phase wird eine  große Menge an Ideen ("Brainstorming") generiert. Durch iteratives Aussortieren ("failing fast") der nicht resonanzfähigen Ideen landet man bei einer Gewinneridee, die am Markt einschlagen sollte.

Was ist an diesem Modell zu kritisieren?

Wenn wir Steve Jobs Empfehlung "Starte mit der Customer Experience und leite daraus deine Technologie-Entscheidungen ab" folgen wollen, benötigen wir eine andere Herangehensweise

Perspektivwechsel: Jobs To Be Done

Die Ursprünge von Jobs To Be Done (JTBD) können im wesentlichen auf Zitate von Theodor Levitt und Peter Drucker⁵ zurückgeführt werden. Levitts Zitat "People don't want to buy a quarter-inch drill, they want a quarter-inch hole." funktioniert als einfache Erklärung dafür, dass in jedem Produkte auch immer eine Dienstleistung, ein Service enthalten ist. Harvard-Professor Clayton Christensen verwendete diese Sichtweise in seinem 2003 erschienen Buch "The Innovator's Solution" und übertrug Sie auf das Thema Innovationen. Die folgende Metapher ist dabei der Nukleus von JBTD:

Kunden beauftragen Produkte mit der Erledigung von Aufgaben (Jobs).

Jobs To Be Done lässt sich als  Modell auf die folgenden Grundsätze reduzieren⁶:

Wendet man diesen Grundsätze an, kommt der Perspektivwechsel fast automatisch: weg von den Features und Funktionen hin zu echten Bedürfnissen des Kunden.

Unternehmen die im Nutzenversprechen ihrer Produkte und Services die wichtigsten und drängendsten Bedürfnisse zu berücksichtigen, erhöhen die Chancen auf eine erfolgreiche Produkteinführung am Markt wesentlich.

Das iPhone als perfekter Dienstleister

Betrachtet man beispielsweise den Erfolg des iPhones rückblickend durch die Jobs To Be Done-Brille wird klar, wie Steve Jobs Fokus auf die Customer Experience sich auswirkte. Das iPhone löst unter anderem drei funktionale Jobs des Kunden auf elegante Art und Weise:

Mit der Einführung des App Stores wurde zudem ein Ökosystem für die weitere Lösung aller Arten von Jobs geschaffen.

Dazu löste das iPhone auch einen emotionalen Job des Nutzers nahezu Perfekt: "Reduziere die Chance, dass ich bei der Bedienung meines Gerätes nicht weiter weiß oder frustriert aufgebe."

Zwei Konkurrenten um einen Job To Be Done (Quelle: https://thingsdojobs.tumblr.com)

Auch 15 Jahre nach Markteinführung (2007) ist das iPhone immer noch ein zentrales Produkt in Apples Portfolio und gilt bei Kunden als Gold-Standard in der Kategorie Smartphone. Das Ökosystem an Services wird weiterhin ausgebaut und jede Evolution des Gerätes löst neue Jobs oder verbessert bereits bestehende Lösungsansätze.

Mit dem Blick durch die Jobs To Be Done-Brille entdecken wir schnell weitere Beispiele für Produkte und Services, die Kundenaufgaben im Sinne einer echten Innovation perfekt lösen.

Vorwerk Thermomix

In kurzer Zeit mit wenig Aufwand eine schmackhafte Mahlzeit mit frischen Zutaten zubereiten

Peloton

Ambitioniertes, motivierendes und abwechslungsreiches Training unter pandemiekonformen Bedingungen (Zuhause).

PayPal

Einfach, sicher, unmittelbar und bargeldlos Einkäufe bezahlen oder Geld überweisen

Fazit

Unternehmen, die den Job To Be Done ihrer Kunden verstanden haben, erhalten damit ein Werkzeug, mit dem sie über einen stabilen Zeitraum hinweg echte Kundenbedürfnisse identifizieren können. Mit diesem Marktvorteil können Produkte und Services entwickelt werden, die von Kunden gekauft, geschätzt und weiterempfohlen werden.

Quellenangaben:

  1. https://www.youtube.com/watch?v=eywi0h_Y5_U
  2. https://www.marketing-boerse.de/news/details/1440-76-Prozent-aller-Produkteinfuehrungen-scheitern-innerhalb-eines-Jahres/49302
  3. http://www.zeit.de/2014/01/scheitern-misserfolg/
  4. http://anthonyulwick.com/2016/10/27/why-ideas-dont-solve-problems/
  5. Process need, unlike the other sources of innovation, does not start out with an event in the environment, whether internal or external. It starts out with the job to be done. Peter Drucker (Innovation and Entrepreneurship, 1985)
  6. https://jobs-to-be-done.com/the-5-tenets-of-jobs-to-be-done-theory-ba58c3a093c1